Bootstrapper e.V.

Die Kette des Helfens

Studieren ist abgehoben und realitätsfern? Von wegen: Psychologiestudenten aus Münster haben die trockenen Theorien in die Praxis umgesetzt und mit ihrem Projekt „Bootstrapper“ den Bernhard-Vogel Bildungspreis in der Kategorie Sonderpreis 2013 gewonnen.

„Wir wollten eine Win-Win-Win Situation schaffen“, erklärt Leon Windscheid (24), Vorsitzender von Bootstrapper e.V. Er hat mit seinen Kommilitonen Ende 2011 den Verein ins Leben gerufen, um kostenlose Nachhilfe an die Schulen Münsters zu bringen, von der alle Beteiligten profitieren: Studenten, Oberstufenschüler und die eigentlichen Nachhilfeschüler. Das Psychologiestudium handele oft davon wie man Inhalte vor anderen präsentiert, von richtiger Zielsetzung oder wie man sich und andere motiviert und es vermeidet Dinge auf die lange Bank zu schieben, erklärte Windscheid. Damit dieses Wissen nicht in der akademischen Schublade verstaubt, haben sich die Studenten ein Nachhilfesystem überlegt, dass auf drei verschiedenen Ebenen ansetzt: Die Studenten geben ihr Wissen an die Oberstufenschüler in Form von Workshops oder Coachings weiter, um für sie so einen Anreiz zu schaffen ihren jüngeren Mitschülern Nachhilfe zu geben.

Mit dieser Idee haben die Psychologiestudenten die Jury des Bernhard-Vogel Bildungspreises überzeugt. Der Preis wird von Altstipendiaten der Konrad-Adenauer-Stiftung gestiftet und soll junge Menschen motivieren sich für die Gesellschaft einzusetzen. „Es ist ein tolles Gefühl, wenn die eigene Arbeit wertgeschätzt wird“, sagte Philipp Schäpers, einer der Gründungsmitglieder von Bootstrapper. So ein soziales Projekt sei viel Arbeit und sich immer wieder selbst zu motivieren oft schwer. Auch wenn die Bootstrapper mit dem Sonderpreis keine finanzielle Unterstützung bekommen, helfe der Preis dabei Durststrecken zu überstehen und immer wieder mit neuem Elan an die Sache heranzugehen. Die Preisverleihung findet am 28. Februar in Berlin statt.

Seit Anfang 2013 testen die Studenten ihr Model an der Friedenschule Münster in einem Pilotprojekt. „Wir mussten auch selbst erst einmal viel lernen“, sagte Windscheid und meint damit nicht nur die Formalitäten und Behördengänge, die eine Vereinsgründung mit sich bringen, sondern auch dass Theorie nicht gleich Praxis ist. Zu Beginn wollten viele Abiturienten das Projekt unterstützen, doch die Nachhilfeschüler fehlten. Als dann potenzielle Nachhilfeschüler bereit standen, steckten die Oberstufenschüler mitten in den Abiturvorbereitungen. Um diese holprige Anfangszeit zu überbrücken, gibt es im Moment an der Friedenschule jeden Donnerstag einen offenen Nachhilfetreff, den die Studenten leiten. „So können wir sicherstellen, dass sofort geholfen wird, bis wir unser System optimiert haben“, erklärte Windscheid. Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten hält die schuleigene Sozialarbeiterin Anja Schütte, dass Projekt für wichtig. Es gäbe zum Beispiel Familien, deren Einkommen nur ein paar Euro über der Grenze für die staatliche Förderung läge. „Das heißt aber noch lange nicht, dass sich die Eltern für ihre Kinder teure Nachhilfe leisten können. Bootstrapper ist ein wichtiges Projekt und der Bedarf ist auf jedem Fall da“, so Schütte.

Den Gründern war es wichtig sich für Chancengleichheit einzusetzen. Das deutsche Bildungssystem greife an vielen Stellen zu kurz, meinte Kluger, der stellvertretende Vorsitzende. Alle Gründungsmitglieder von Bootstrapper seien in einer ziemlich privilegierten Situation aufgewachsen. „Uns ging es darum diese heile Welt zu hinterfragen und denen zu helfen, die es nicht so gut haben wie wir“, so Kluger. Wie zum Beispiel Rilana Schmitz. Die Sechstklässlerin hatte schon lange Schwierigkeiten in Mathe und hat sich deshalb an Bootstrapper gewandt und ist begeistert: „Mir hat es super gefallen. Die haben das prima erklärt.“

Windscheid und seine Kollegen haben bereits Pläne für die Zukunft. Zum einen wollen sie das Projekt an der Friedensschule noch verfeinern. „Wenn es dann rund läuft, möchten wir auch anderen Schulen unser Konzept anbieten“, sagte Kluger. Zusätzlich gibt es schon eine neue Idee, die gerade umgesetzt wird: ein offener Nachhilfetreff im Jugendzentrum Paul-Gerhardt-Haus, der für alle, egal aus welcher Schule, zugänglich sein soll. Wenn alles nach Plan läuft, startet das Projekt in den nächsten Wochen.

Text verfasst von Tatjana Thamerus