Lernvorbilder und Lernpartner für die Schulzeit
In Achim bei Bremen coachen Schüler der Oberstufe ihre Kameraden aus den unteren Klassenstufen. Das Besondere an dem Nachhilfe-Projekt: der Migrationshintergrund der Teilnehmer.
2010 startete das Bildungsmentorenprogramm als Pilotprojekt im Rahmen des Landesprogramms „Inklusion durch Enkulturation“ der Niedersächsischen Landesregierung. Schüler, die erfolgreich in der Schule sind, helfen seitdem schulisch Schwächeren, den Lernstoff nachzuarbeiten und Hausaufgaben zu lösen.
Bildungsmentoren sind jedoch keine normalen Nachhilfelehrer – sie haben einen familiären Zuwanderungshintergrund – genau wie die Schüler, die sie betreuen. Der eigene Zuwanderungshintergrund hilft den Mentoren, sich leichter in die Situation ihrer Schützlinge hineinzuversetzen und ihnen Rat aus eigener Erfahrung geben zu können.
Die Betreuung durch einen Mentor soll den Schülern Mut machen, selbst einen höheren Bildungsweg anzustreben und positive Lernerfahrungen weitergeben. Ziel des Projekts ist es, das Bildungsniveau im Magdeburger Viertel, in dem besonders viele Familien mit Migrationshintergrund leben, anzuheben.
Der Erfolg der Arbeit zeichnet sich am Ende des Schuljahres ab: Zu Beginn der Zusammenarbeit von Mentor und Schüler werden Zielvereinbarungen über Notenverbesserungen, Übergänge in eine höhere Schulform oder andere persönliche Erfolge festgelegt. Diese Zielvereinbarungen dienen zum einen der Motivation der Schüler und zum anderen als Maßstab für Eltern und Mentor, ob die Anstrengungen von beiden Seiten sich lohnen.
Für Kamuran haben sie sich gelohnt: Die 17-jährige Kurdin ist seit fünf Jahren Teil des Projekts. Als sie Probleme in der Schule hatte, wandte sie sich an das Bürgerzentrum Magdeburger Viertel. Sie hatte von dem Mentorenprojekt gehört und wohnte direkt neben dem Treffpunkt. Ihre Eltern bewarben sich im Bürgerzentrum um einen Mentor für Kamuran. Nach der Zuteilung einer Mentorin trafen sich die beiden zweimal pro Woche, um für Klausuren zu lernen, Deutsch zu üben und Hausaufgaben zu erledigen. Heute besucht Kamuran die 11. Klasse des Gymnasiums und ist selbst Mentorin. Ihre jetzige Schülerin ist ebenfalls Kurdin – Kamuran hofft, dass sie sie genauso motivieren kann, wie es vor fünf Jahren bei ihr der Fall war.
Elisa wurde von ihrer Politiklehrerin auf das Projekt aufmerksam gemacht. Die 16-Jährige besucht die 10. Klasse eines Gymnasiums und hat einen kurdischen Familienhintergrund. Seit 2 Jahren betreut sie Schüler als Mentorin. „Ich schätze an meinem Engagement als Mentorin vor allem das Gemeinschaftsgefühl, das durch das Projekt im Viertel entsteht“, erklärt sie.
Im Magdeburger Viertel ist das Projekt sehr geschätzt. Die Nachfrage nach Mentoren steigt stetig, mittlerweile gibt es eine Warteliste. Das Bürgerzentrum kooperiert deshalb eng mit umliegenden Gymnasien und anderen Schulen, um weitere Schüler, die sich engagieren wollen, zu finden.
Neuerdings gibt es auch eine Mentorin, die keinen Migrationshintergrund hat. Geht es nach Dirk Ysker, dem Leiter des Bürgerzentrums, soll es künftig noch mehr Mentoren geben, die Deutsch als Erstsprache gelernt haben, um das Projekt noch weiter zu öffnen. So sollen möglichst viele schulisch-erfolgreiche Jugendliche, die sich engagieren wollen, in das Projekt miteinbezogen werden.
Das Bürgerzentrum Magdeburger Viertel unter der Leitung von Dirk Ysker trägt seit je her die Organisation des Projektes. Finanziert wird es von dem Stadtteilförderverein MaVi e. V. und der Stadt Achim. Auch der Verein Innerwheel e. V. trägt mit regelmäßigen Spenden zur Fortführung des Projekts bei. Das Preisgeld soll vor allem Planungssicherheit für das Projekt bringen, da die Mentoren für ihr Engagement eine Aufwandsentschädigung erhalten. Außerdem soll ein Teil zur Durchführung des jährlichen Bildungsausflugs der Mentoren und Schüler genutzt werden.
Text verfasst von Britt-Marie Lakämper